
HOFFMANN & KOROSCHA | HORIZONS UNLIMITED
„Ceci n´est pas une pipe.“ Warum fange ich meine Rede heute mit einem Bild von René Magritte an? Schließlich ist das Werk „Dies ist keine Pfeife“ aus dem Jahr 1928, aber wir sind jetzt hier – 89 Jahre später – in der Ausstellung von Martin Koroscha und Kathrin Hoffmann. Die Antwort gibt damals wie heute der Surrealismus. Denn er steht über der Realität bzw. steht er jenseits von ihr.
Bei Martin Koroscha fängt das Surreale bereits bei der Entstehung an. Seine Bilder werden Wirklichkeit in des Künstlers eigener Realität, nämlich in seinem Kopf. Aus der Vorstellung heraus zeichnet er nur mit Lineal und Stift seine Motive, lässt zum Beispiel Kuben in einem landschaftlichen Raum schweben. Architektonische Bauwerke besiedeln bergige Landschaften, stehen oder fliegen lautlos durch die Luft. Auf verwirrende Weise wirken die Motive unwirklich. Losgelöst vom Boden, neben Bäumen und Häusern, vor flächig gemalten Bergmassiven, in Licht gehüllt, schaffen sie die Illusion von Raum. Doch kaum fällt uns das auf, merken wir: Etwas anderes ist seltsam. Wo sind die Schatten? Denn alles, was wir in der „wirklichen“ Welt sehen können wirft Schatten. Ein weiterer Hinweis auf Traumwelten oder überreale Welten, die Martin Koroscha erschafft.
Und haben Sie die Menschen in den Bildern schon entdeckt? Wahrscheinlich nicht, denn es gibt keine. Jedenfalls nicht direkt. Indirekt gibt es sie schon. Indem der Künstler in die Natur von Menschen erdachte und erbaute Konstrukte setzt, zeigt er: Hier waren Menschen. Und er lässt genauso wie seine schwebenden Kuben uns selbst in unserer Vorstellung fliegen, nämlich dann, wenn wir vor seinen neuesten Werken stehen und den Blick nach oben in das unendliche Universum richten. Aber, ach da war ja was: Ceci n´est pas une pipe oder eher Ceci n´est pas l´univers. Und trotzdem: Beim längeren Betrachten heben wir in Gedanken ab und schweben mit der Blickführung durch das Bild ins Unendliche.
Und wo wir als Betrachter in Gefühlen und Gedanken durch Universen fliegen landen wir irgendwo outerspace ganz angenehm angeregt bei den Bildern der Künstlerin Kathrin Hoffmann. Auch ihre Werke spielen mit Realitätsebenen. Sie haben sicherlich das Bild mit dem Paar auf der Einladungskarte gesehen, das heute auch neben mir hängt. Eine Frau und ein Mann wenden sich eingehüllt in Kapuzenpullis vom Betrachter ab und einem gleißenden Sonnenlicht zu. Ist das überhaupt hier auf der Erde oder doch irgendwo ganz anders, irgendwo ganz weit weg? Raum und Zeit scheinen hier keine Rolle zu spielen. Losgelöst von allem Irdischen wenden sich die Dargestellten von uns ab, um grau wie sie in ihrer irdischen Form sind, sich einem surrealen hellen Licht zuzuwenden. Der Aufbruch in eine neue Zeit, in eine neue Form wohnt dieser Szenerie inne – leise und sanft und dabei doch so kraftvoll.
Im Raum nebenan sehen wir ein fast winziges Bild in Dreieckform. Darauf ein Astronaut in dessen Visier sich wieder dieses helle und einladende Licht spiegelt. Augenscheinlich wendet sich der Astronaut dem Licht zu und hebt die Arme. Gegensätzlicher könnte es eigentlich gar nicht sein: Der Astronaut schwebt in der unendlichen Weite des Alls und ist doch begrenzt durch seinen schweren Raumanzug, der ihn von dem „Außen“ abschneidet. Es zieht ihn zu dem hellen Licht, aber er kann es nicht wirklich erreichen, denn er braucht seinen ihn abschirmenden und schützenden Anzug. Das Gefühl von der Enge in der Weite kehr sich um, wenn man sich des Bildausschnitts bewusst wird. Denn der Astronaut nimmt fast den gesamten Raum auf dem kleinen Dreiecksbild ein – die Weite in der Enge.
Kathrin Hoffmann verarbeitet Zeitungsbilder, Fotografien und Internetfunde als Ausgangsbasis für ihre malerischen Arbeiten. Collagenartig setzt sie sie zusammen und bringt schließlich malerisch ihre innere Realität aus ihrem „geistigen Auge“ auf die Realität der Leinwand.
Die beiden Künstler brechen damit wirklich zu neuen Horizonten auf und regen uns dazu an, unsere Welt und unsere eigene Realität neu zu überdenken, zu erweitern und einfach mal schwebend auf Reisen durch andere Ebenen zu gehen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen heute einen anregenden und blickerweiternden Abend. Laudatio von Victoria Romei
Vernissage: 04.03.2017 | 19 Uhr
Ausstellung: 04.03. – 02.04.2017
Öffnungszeiten:
Donnerstags 18 – 20 Uhr
Sonntags 15 – 18 Uhr
Galerie Hugo 45
Hugo-Luther-Straße 45
38118 Braunschweig